16. November 2021

Neue nationale Hagelgefährdungskarten Schweiz

Autorin: Eva Kämpf, Fachspezialistin Weiterbildung Prävention, Aargauische Gebäudeversicherung

 

Mehr als ein Drittel der durch Naturereignisse entstandenen Gebäudeschäden sind auf Hagel zurückzuführen. Hagelkörner können Kunststoffe und Putze durchschlagen oder Storen und dünne Bleche verbiegen. Wird die Gebäudehülle undicht, kann Wasser eintreten und hohe Folgeschäden verursachen. Für Betroffene bedeutet ein Hagelschaden neben den anfallenden Kosten auch grosse Umtriebe und Ärger, wenn zum Beispiel im Sommer die Reparatur von Storen verzögert wird, weil viele umliegende Gebäude betroffen sind.

Um zielgerichtete Massnahmen gegen Hagelschäden zu ergreifen, ist es wichtig zu wissen, mit welchen Hagelkorngrössen über einen betrachteten Zeitraum, wie beispielsweise die Lebensdauer eines Gebäudes, wie oft gerechnet werden muss.

Dazu gibt es jetzt neue Grundlagen: Das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz hat mit Partnerorganisationen erstmals national einheitliche Hagelkarten erarbeitet, welche am 7. Mai 2021 der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Die Hagelgefährdungskarten zeigen, wie oft und wo es hagelt und wie gross die Hagelkörner werden können.

Was war bisher?

Bis anhin bestehende Grundlagen zur Beurteilung des Hagelrisikos beruhten auf veralteten Datensätzen, verwendeten unterschiedliche Methoden und waren nur bedingt untereinander vergleichbar.

Neue Hagelkarten für die Schweiz

Die neuen Karten dienen als einheitliche nationale Referenz zur Hagelgefährdung. Sie informieren zu:

  • Hagelhäufigkeit
  • Hagelkorngrössen
  • Wiederkehrperioden

Die Karten mit den Wiederkehrperioden von 10, 20, 50 und 100 Jahren sind auf dem Geoportal des Bundes frei verfügbar: www.map.geo.admin.ch

Hagelhäufigkeit

Hageltage kommen in der Schweiz regelmässig vor. Über die gesamte Datenreihe gesehen, treten schweizweit durchschnittlich 33 Hageltage pro Sommerhalbjahr auf. Die Anzahl an Hageltagen ist in der Schweiz räumlich unterschiedlich verteilt. Besonders im Südtessin, Emmental, Entlebuch und Napfgebiet, sowie entlang des Juras gibt es Regionen, in denen häufig mit Hagel gerechnet werden muss.

Hagelkorngrössen und Wiederkehrperioden

Die neuen Gefährdungskarten Hagel stellen die Hagelkorngrösse als Funktion der Wiederkehrperiode T dar. Sie beschreiben die Hagelkorngrösse, die unter heutigen Klimabedingungen, pro Referenzfläche (das heisst 100 m2 beziehungsweise Grundfläche eines Einfamilienhauses), mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/T pro Jahr überschritten wird. So zeigt zum Beispiel die Karte mit einer Wiederkehrperiode von 50 Jahren, welche Korngrösse statistisch alle 50 Jahre beziehungsweise mit einer Wahrscheinlichkeit von 2 % pro Jahr überschritten wird.

Die neuen Karten zeigen gegenüber den bisherigen Hagelgefährdungskarten in einzelnen Teilen der Schweiz eine höhere Gefährdung als bislang angenommen. Fast überall in der Schweiz ist alle zehn Jahre mit Hagelkörnern von 2 cm Durchmesser zu rechnen. Alle 20 Jahre treten Hagelkörner mit 3 cm Durchmesser und in einigen Gebieten alle 50 Jahre sogar mit 4 cm auf.

Berechnungen zeigen, dass während der Lebensdauer eines Gebäudes von 50 Jahren eine Wahrscheinlichkeit für Hagelkörner von über 3 cm Durchmesser von 90 % besteht.

Anwendung der neuen Karten

Die neuen Karten stellen eine aktualisierte Grundlage dar, um die lokale Hagelgefährdung einzuschätzen. Die Norm SIA 261/1 fordert einen Schutz gegen die alle 50 Jahre auftretenden Hagelkörner bei normalen Gebäuden (Bauwerksklasse BWKI I). Entsprechend greift der Naturgefahren-Check unter www.schutz-vor-naturgefahren.ch für die Ermittlung der lokalen Gefährdung auf die neue Hagelgefährdungskarte mit einer Wiederkehrperiode von 50 Jahren zu.

Hinweis: Die Karte der Hagelzonen in Anhang G1 der Norm SIA 261/1 (2020) bleibt vorerst unverändert gültig.

Weiterführende Informationen

Weiterführende Informationen zum Projekt «Hagelklima Schweiz» insbesondere zu den Methoden finden Sie hier: www.nccs.admin.ch. Die Broschüre «Hagelklima Schweiz» richtet sich an Anwenderinnen und Anwender aus der Praxis.

Die Produkte werden monatlich sowie jährlich mit den neuesten Daten aktualisiert.

Falls Sie selbst Hagel beobachten, können Sie die Korngrösse über die MeteoSchweiz-App melden und so helfen, die Datengrundlage weiter zu verbessern.

Fazit

Die neuen Hagelgefährdungskarten stellen die neueste wissenschaftliche Grundlage dar. Sie zeigen, dass die Hagelgefährdung in vielen Regionen bisher unterschätzt wurde. Das bedeutet, dass die allgemeine Empfehlung für das Schutzziel Hagelwiderstand HW 3 (3 cm Hagelkorndurchmesser) vielerorts bereits ab einer Wiederkehrperiode von 20 Jahren gilt.

Der Gebäudeschutz vor Hagel ist und bleibt wichtig. Baubewilligungsbehörden im Kanton Aargau helfen mit, Schäden zu verhindern, indem sie Bauherrschaften und Planende auf die Naturgefahr Hagel sensibilisieren und bereits in der Baubewilligung auf das versicherungsrechtliche Schutzziel HW 3 und auf die Baunorm SIA 261/1 hinweisen.

Bauherrschaft und Planerinnen und Planer können sich auf der nationalen Plattform www.schutz-vor-naturgefahren.ch über die lokale Gefährdung informieren. Die Plattform zeigt zur Situation passende Empfehlungen zum Gebäudeschutz vor Hagel auf. Ausserdem bietet das Hagelregister eine Liste der geprüften Bauteile und gibt Auskunft über die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Produkte, die in anerkannten Prüflaboratorien getestet wurden. Wirksamen und effizienten Schutz für Storen bietet «Hagelschutz - einfach automatisch».

 

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